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Das
Schicksal General Dlimis
Nach der Flucht aus Marokko teilte ich der
Presse unterschiedliche Versionen darüber
mit, wie ich das Land verlassen konnte. Dies war
ein gezielter Versuch, die Polizei
irrezuführen und meine Helfer zu
schützen. Unter jenen gab es auch einige
hochrangige Offiziere; General Dlimi war
beispielsweise einer von ihnen.
Wohl stand ich nicht in direktem Kontakt mit
diesem, aber er gehörte zur Bewegung der
"Freien Offiziere", meinen alten Freunden, die
mit ihm über meine Lage sprachen. Viele
Offiziere hatten ja guten Grund, sich vor meiner
Verhaftung zu fürchten, und halfen mir
nicht zuletzt in eigenem Interesse.
Im Dezember 1982 hielt sich der marokkanische
General Ahmed Dlimi unter falscher
Identität in Stockholm auf. Wir sprachen
über die politischen Strömungen
innerhalb des Heeres vor dem geplanten Putsch im
Juli 1983. Im Februar des kommenden Jahres
wollten wir uns in London wieder treffen; in
jenem Monat würde Dlimi in Begleitung des
Monarchen dort auf Staatsbesuch sein.
Am 25. Januar 1983 verbreiteten Rundfunk und
Fernsehen in Marokko folgendes offizielle
Kommuniqu: "Verkehrsunfall in Marrakesch.
Auf der Fahrt zu seiner Wohnung stiess Dlimi mit
einem Lastwagen zusammen und fand den Tod."
Hassan fand traurige Worte über Dlimis
Hinschied. In Wirklichkeit hatte er ihn
umbringen lassen.
General Ahmed Dlimi arbeitete mir den "Freien
Offizieren" zusammen, einer Bewegung, die als
ersten Schritt der Revolution die Monarchie
abschaffen wollte. Träger der Bewegung sind
junge Offiziere, die politisch denken
können und meist auf eine Vergangenheit als
Parteimitglieder zurückblicken können.
Als Gymnasiasten hatten wir bei den Krawallen
und Revolten der sechziger Jahre unsere ersten
Erfahrungen mit der Armee gemacht. In den
siebziger Jahren infiltrierten wir diese dann.
Dort spielten sich die wichtigsten politischen
Kämpfe ab.
Dlimi war der Chef des
Armeesicherheitsdienstes im Ausland und
obendrein Oberkommandant der militärischen
Zone Süd, wo die marokkanische Armee gegen
die Polisario kämpfte. Er gehörte auch
dem königlichen "Militärrat" an. In
der Pressepropaganda stand er nur um einige
Stufen hinter dem König selbst zurück,
und er war der bekannteste Soldat des
Regimes.
Wie viele höhere Offiziere hatte sich
Dlimi auf ein Doppelspiel eingelassen; er war
königstreu und zugleich ein immer
heftigerer Widersacher des Gewaltherrschers. In
seiner Position konnte er keine
persönlichen Direktverbindungen mit den
oppositionellen Offizieren pflegen. Aus diesem
Grund fungierte ich als Verbindungsglied.
Höchstwahrscheinlich wurde Dlimi
überwacht. In Stockholm suchte er lediglich
mich auf. Bei einem früheren Besuch in der
schwedischen Hauptstadt, die er damals unter
seinem eigenen Namen und mit seinem eigenen Pass
besuchte, wohnte er u.a. im Grand Hotel. Trotz
aller Vorsichtsmassnahmen sind wir vielleicht
beschattet worden.
Mitte Januar wurde eine Reihe höherer
Offiziere festgenommen. Er ahnte, dass sein
Doppelspiel vielleicht schon aufgedeckt war. Dem
König wurde ein Dossier über ihn
vorgelegt. Vermutlich enthielt dieses auch
Aufnahmen, welche unser Zusammentreffen in
Stockholm bewiesen. Am 25. Januar wurde Dlimi
anlässlich eines Besuchs im Palast mit dem
Dossier konfrontiert. Nach Verhör und
Folter starb er im königlichen Palast. Der
Autounfall wurde später am Abend
arrangiert.
Diese Informationen habe ich direkt aus
Marokko. Die nächste Umgebung Hassans, wozu
auch ausländische Geheimdienstleute
gehören, kennen die Umstände von
Dlimis Tod sehr wohl. Die Märchengeschichte
vom Autounfall wurde aufgetischt, um die
Tatsache zu vertuschen, dass es in der Armee und
sogar unter den engsten Mitarbeitern Hassans
gärt.
Der "Le Mondeö-Korrespondent in Rabat
äusserte seine Zweifel an der
Autounfallgeschichte und wurde flugs des Landes
verwiesen. Laut der offiziellen Version wurde
Dlimis Auto vom Direktor eines Reisebüros
gelenkt. Der Direktor, ein Angehöriger der
Geheimpolizei, wurde danach vom König auf
eine Pilgerfahrt nach Mekka geschickt und
verschwand später spurlos.
Auch der Lastwagen und dessen Fahrer
lösten sich in Luft auf. Dlimis Sarg wurde
direkt vom Königspalast zu einem besonderen
Friedhof geschafft. In Marokko kursieren sogar
Gerüchte, die besagen, er sei immer noch am
Leben und werde in einem der privaten Verliese
Hassans des Zweiten gefangengehalten.
In arabischsprachigen Radioprogrammen, am
französischen Fernsehen sowie in "Le Monde"
vom 24. Februar 1983 enthüllte ich die
Wahrheit über Dlimis "Unfall" und den
geplanten Putsch vom Juli 1983.
Nach seinem heimlichen Besuch in Stockholm
wollte Dlimi das Putschdatum vorverschieben,
weil er den Verdacht hegte, der König plane
umfassende Rochaden innerhalb der Armee. Hassan
der Zweite ist kein Operettenkönig. Er
arbeitet aktiv im Generalstab mit und umgibt
sich mit zahlreichen Sicherheitsdiensten: dem
der Polizei, der Gendarmerie, der Armee sowie
schliesslich dem hofeigenen Geheimdienst. Sie
alle arbeiten engstens mit anderen
Geheimdiensten zusammen. Marokko ist eine
Einmanndiktatur, und der Monarch ist auf
allerhöchste Sicherheit erpicht.
Nach Dlimis gewaltsamem Ableben wurden rund
15 Offiziere verhaftet, von denen drei
hingerichtet wurden. Die Zensur verhindert, dass
das Volk vom Ausmass des Terrors erfährt.
Ich hoffe nur, dass meine Enthüllungen
trotzdem irgendwie in mein Land gelangen.
Früher oder später wird dies nicht
mehr zu verhindern sein. Die Wahrheit ist die
Waffe der Opposition.
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