2. Moslemische Länder
Die jüdischen Gemeinden gediehen während des bekannten, jedoch sozial mißdeuteten jüdischen Goldenen Zeitalters in moslemischen Ländern unter Regimen, die sich in besonderer Weise von der Mehrheit der von ihnen beherrschten Menschen abhoben und deren Macht auf nichts als nackter Gewalt und einer Söldnertruppe beruhte. Das beste Beispiel hierfür ist das maurische Spanien, wo das wahre jüdische Goldene Zeitalter (der Philosophie, der hebräischen Dichtung usw.) genau mit dem Niedergang des spanischen Kalifats der Omaijaden nach dem Tode des de facto Herrschers Al-Mansur im Jahre 1002 und der Einrichtung zahlloser kleiner Königreiche beginnt, die alle auf nackter Gewalt beruhen. Der Aufstieg des bekannten Oberbefehlshabers und Premierministers des Königreiches Granada, Samuel der Fürst (Samuel ha-Nagid bzw. Samuel ibn Nagrela, 993 bis 1055), eines der größten hebräischen Poeten aller Zeiten, war möglich, weil es sich bei dem Königreich, dem er diente, um die Tyrannei einer ziemlich kleinen berberischen Militärmacht über die arabischsprechenden Einwohner handelte. Ähnlich war die Lage in den anderen arabisch-iberischen kleinen Königreichen. Die Stellung der Juden verschlechterte sich etwas mit der Errichtung des Regimes der Almoraviden (1086 bis 1147) und wurde unter dem starken und volksverbundenen Regime der Almohaden (nach 1147) gefährlich, als wegen der Verfolgungen die Juden in die christlichen spanischen Königreiche emigrierten, in denen die Könige noch nicht so mächtig waren. Ähnliches beobachtet man in den Staaten des moslemischen Ostens. Der erste Staat, in dem die jüdische Gemeinde eine Stellung mit wichtigem politischen Einfluß erreichte, war das Reich der Fatimiden. Dies gilt besonders für den Zeitpunkt nach der Eroberung Ägyptens im Jahre 969, weil es auf der Herrschaft einer religiösen Minorität der schiitischen Ismailiten beruhte. Dasselbe Phänomen läßt sich in den Staaten der Seldschuken mit ihren feudalen Armeen - Söldnertruppen und in steigendem Maße auch Sklaventruppen (Mameluken) - und in ihren Nachfolgestaaten beobachten. Die Vorliebe Saladins für die jüdischen Gemeinden, erst in Ägypten und dann in anderen Teilen seines sich ausweitenden Reiches, begründete sich nicht nur auf seinen echten persönlichen Qualitäten, wie Toleranz, Warmherzigkeit und tiefer politischer Weisheit, sondern gleichermaßen auf seinem Machtzuwachs als rebellischer Befehlshaber der neu in Ägypten eingetroffenen Söldnertruppen und später als Usurpator der dynastischen Macht, der er (wie sein Vater und sein Onkel vor ihm) gedient hatte. Das vielleicht beste islamische Beispiel ist der Staat, in dem die Juden eine bessere Stellung als irgendwo anders im Osten seit dem Niedergang des alten Persischen Reiches hatten, nämlich das Osmanische Reich, besonders auf seinem Höhepunkt im 16. Jahrhundert. Wie allgemein bekannt, basierte die Herrschaft der Osmanen zunächst auf dem nahezu vollständigen Ausschluß der Türken selbst (nicht zu erwähnen die anderen gebürtigen Moslems) von den politischen Machtstellungen und vom wichtigsten Teil der Armee, nämlich der Janitscharen (aus in der Kindheit entführten und in speziellen Schulen ausgebildeten Sklaven christlicher Herkunft rekrutiert). Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts konnte kein frei geborener Türke Mitglied der Janitscharen werden oder ein wichtiges Regierungsamt bekleiden. Unter solch einem Regime spielten die Juden in ihrem Wirkungskreis eine ganz ähnliche Rolle wie die Janitscharen in ihrem Bereich. Daher hatten die Juden die beste Stellung unter einem Regime, das sich von den regierten Untertanen politisch am meisten abhob. Mit der Zulassung der Türken selbst (sowie einiger anderer Moslemvölker wie der Albaner) zur herrschenden Klasse des Osmanischen Reiches erfährt die Stellung der Juden ihren Niedergang, der wegen der andauernden Willkürmaßnahmen und des unvölkischen Charakters des Osmanischen Regimes nicht allzu abrupt verlief. Meines Erachtens ist dieser Punkt besonders wichtig, weil sich palästinensische und andere arabische Propagandisten auf die relativ gute Lage der Juden unter dem Islam im allgemeinen und unter bestimmten islamischen Regimen im besonderen in einer sehr einfältigen, obgleich wohlmeinenden Weise berufen. Zunächst einmal verallgemeinern sie und reduzieren ernste Fragen der Politik und Geschichte auf reine Schlagwörter. Zugegeben, die Stellung der Juden war im allgemeinen viel besser unter dem Islam als unter dem Christentum. Als wichtige Frage bleibt jedoch, unter welchem Regime sie besser oder schlechter war. Wir haben gesehen, wohin solch eine Analyse führt. Als zweiter und noch
wichtigerer Punkt bleibt anzuführen, daß in einem
vormodernen Staat die "bessere" Stellung der jüdischen
Gemeinde in der Regel eine stärkere Tyrannei zur Folge
hatte, die die Rabbiner in dieser Gemeinschaft
gegenüber anderen Juden ausübten. Dazu ein
Beispiel: Unter Berücksichtigung seiner Zeit ist
Saladin sicherlich eine Gestalt, die tiefen Respekt
abverlangt. Doch trotz dieses Respektes kann ich nicht
vergessen, daß die größeren der
jüdischen Gemeinde in Ägypten gewährten
Privilegien und die Ernennung von Maimonides als Oberhaupt
(Nagid) sofort eine starke religiöse Verfolgung der
jüdischen "Sünder" durch die Rabbiner nach sich
zog. So ist es z.B. jüdischen "Priestern" (angeblichen
Abkömmlingen der antiken Priester, die im Tempel
dienten) verboten, nicht nur Prostituierte, sondern auch
Geschiedene zu heiraten. Dieses Verbot, das immer
Schwierigkeiten bereitete, verletzten während der
Anarchie unter den letzten Fatimiden (etwa 1130 bis 1180)
solche "Priester", die entgegen dem jüdischen
religiösen Gesetz jüdische geschiedene Frauen in
islamischen Gerichten (die auch Nicht-Moslems trauen
durften) heirateten. Die größere von Saladin
zugestandene Toleranz für "die Juden" bei seiner
Machtübernahme versetzte Maimonides in die Lage,
Befehle an die rabbinischen Gerichte in Ägypten zu
erteilen, alle unerlaubt verheirateten Juden zu ergreifen
und auszupeitschen, bis sie ihrer Ehescheidung "zustimmten".
Im Osmanischen Reich war die Macht der rabbinischen Gerichte
ebenfalls sehr groß und infolgedessen auch höchst
bösartig. Deshalb sollte man die Stellung der Juden in
moslemischen Ländern der Vergangenheit nie als
politisches Argument im Zusammenhang mit der Gegenwart (oder
der Zukunft)
benutzen.
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Israel Shahak:
(Online)
"Jüdische Religion, Jüdische Geschichte":
Inhaltsverzeichnis:
A/ 1- Israel - ein Utopia für Auserwählte?
- 2- Definition des Judenstaates
- 3- Die Ideologie vom "erlösten" Land
- 4- Israelischer Expansionismus
- 5- Ein geschlossenes Utopia?
B/ 6- Vorurteile und Verfälschungen
- 7- Befreiung von außen
- 8- Hindernisse für das Verstehen
- 9- Totalitäre Geschichte
- 10- Verteidigungsmechanismen
- 11- Die Täuschung geht weiter
C/ 12- Orthodoxie und Interpretation
- 13- Interpretation der Bibel
- 14- Aufbau des Talmud
- 15- Die Dispensationen cc1-
- 16- Verzinsung cc2-
- 17- Das Sabbat-Jahr cc3-
- 18- Melken am Sabbat cc4-
- 19- Vermischte Feldfrüchte cc5-
- 20- Gesäuerte Substanzen cc6-
- 21- Der Sabbat-Goj
- 22- Soziale Aspekte der Dispensationen
D/ 23- Die Bürde der Geschichte
- 24- Grundzüge des klassischen Judaismusda1-
- 25- England, Frankreich und Italien da2-
- 26- Moslemische Länder da3-
- 27- Das christliche Spanien da4-
- 28- Polen
- 29- Antijüdische Verfolgungen
- 30- Der moderne Antisemitismus
- 31- Die zionistische Reaktion
- 32- Konfrontation mit der Vergangenheit
E/ 33- Gesetze gegen Nichtjuden
- 34- Mord und Völkermord
- 35- Rettung von Leben
- 36- Entheiligung des Sabbats zur Lebensrettung
- 37- Sexuelle Straftaten
- 38- Status
- 39- Geld und Eigentum ef1-
- 40- Geschenke ef2-
- 41- Zinsforderungen ef3-
- 42- Verlorenes Eigentum ef4-
- 43- Täuschung im Geschäftsleben ef5-
- 44- Betrug ef6-
- 45- Diebstahl und Raub
- 46- Nichtjuden im Land Israel
- 47- Schmähungen
- 48- Die Einstellungen zu Christentum und Islam
F/ 49- Politische Konsequenzen
- 50- Jerusalem und die Juden
- 51- Rezension von Benjamin Beit-Hallahmi
- 52- Leserbriefe
- 53- Ein Exzeß an Demagogie
- 54- Ein spanisches Beispiel
- 55- Israelischer Terrorismus
- 56- Die Halacha unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Mord
- 57- Wer ist Demokrat im Nahen Osten?
- 58- Scharons Imperium
- 59- Mord gemäß der Halacha
- 60- Das Gleichnis gilt
- 61- Gebete auf verworrenen Wegen
- 62- Das iranische Modell
- 63- Maskerade von ausgestopften Bälgern als menschliche Wesen
- 64- Beste Absicht?
- 65- Ist es noch dieselbe Arbeiterpartei?
- 66- eres' Unterstützung der Siedler
- 67- Woraus besteht eine Öffentlichkeit?
- 68- Organspenden von Nichtjuden
- 69- Der Weg zu absoluter Korruption
- 70- Ein Fall einer unreinen Adresse
- 71- Der Rassismus von Arthur Ruppin
- 72- Sehnsucht nach Wiedererrichtung des Königreichs Davids und Salomos
- 73- Was will Gott wirklich?
- 74- Gehirnwäsche
- 75- Wer darf aus den "Staatsländereien" Nutzen ziehen?
- 76- Wie die religiösen Fanatiker in Ägypten
- 77- Ein Chomeini-Staat
- 78- Das Schweigen der israelischen Juden
- 79- Vier Hauptmerkmale des Apartheid-Regimes
- 80- Professor Gabison irrt
- 81- Ein grober Bruch der militärischen Disziplin
- 82- Es kann hier geschehen
- 83- Der richtige Name ist "Genozid" und nicht "Sho'a"
- 84- Der Verrat der [israelischen] Medien und Intellektuellen
- 85- Sabra und Schatila Nr. 2
- 86- Die [zionistische] Arbeiterbewegung ist nicht sozialdemokratisch
- 97- "Diese Missetat soll euch nicht vergeben werden, bis ihr sterbet"
- 88- Die Ideen der Chabad-Bewegung sind noch verwerflicher als diejenigen von Kahane
- 89- Die "Grundsatzerklärung" erkennt nicht die Rechte der Palästinenser an
- 90- Nichtmoderater physischer Druck
- 91- Nur zum Nutzen der Juden
- 92- Ein Fall von Vorurteilslosigkeit aus dem 11. Jahrhundert
- 93- Das jüdische Religionsgesetz ist inhuman achwort von Edward W. Said
- 94- Die
Vita von Israel Shahak