Ein geschlossenes Utopia?
Machiavelli rechtfertigte wenigstens die Methoden, die er für die Politik als unerläßlich ansah. Er bedauerte die Notwendigkeit von Gewalt und Betrug und nannte sie auch bei keinem anderen Namen. Plato und More hingegen sanktionierten sie unter der Voraussetzung, daß sie zur Aufrechterhaltung ihrer eigenen utopischen Republiken verwendet würden. Desgleichen sind die echten Gläubigen des "Judenstaat" genannten Utopia, das die "biblischen Grenzen" anstrebt, viel gefährlicher als die großartigen Strategen vom Typ Gasit, da deren Politik entweder durch die Religion oder, was noch schlimmer ist, durch die Anwendung säkularisierter religiöser Prinzipien mit Absolutheitsanspruch sanktioniert ist. Während Gasit wenigstens noch das Argument vorbringen zu müssen glaubt, daß das israelische Diktat für die arabischen Regimes von Vorteil sei, ließ Ben Gurion keinen Zweifel daran, daß die Wiederherstellung des Königreichs von David und Salomo sich allein für den jüdischen Staat auszahlte. Die Anwendung der Konzepte des Platonismus zur Analyse der auf der "jüdischen Ideologie" basierenden israelischen Politik dürfte nicht ungewöhnlich sein. Mehrere Gelehrte, unter ihnen Moses Hadas als der bedeutendste, stellten fest, daß die Grundlagen des "klassischen Judaismus", d.h. der von den talmudischen Weisen begründete Judaismus, auf den Einflüssen Platos und insbesondere seines Bildes von Sparta beruht. Nach Hadas war es ein entscheidendes Merkmal des vom Judaismus schon in der makkabäischen Zeit (142 bis 63 v. Chr.) übernommenen politischen Systems von Plato, "daß jede Phase menschlichen Verhaltens religiösen Sanktionen unterliegt, die in Wirklichkeit vom Herrscher manipuliert werden". Es gibt keine bessere Definition des "klassischen Judaismus" und der Art und Weise, in der die Rabbis und Rabbiner ihn manipulierten, als diese Definition Platos. Insbesondere meint Hadas, daß der Judaismus das übernahm, was "Plato selbst als die Ziele seines Programms" in der folgenden bekannten Passage zusammenfaßte: Das Wichtigste ist, daß niemand, weder Mann noch Weib, ohne Vorgesetzte sei, und daß niemandes Seele sich gewöhnt habe, sei es im Kampfe selbst oder bei den Vorübungen, etwas für sich nach eigener Willkür zu tun; sondern in jedem Kriege und während des Friedens stets auf den Vorgesetzten hinzublicken ... mit einem Wort, seine Seele durch Gewöhnung dahin zu bestimmen, daß sie ohne die andern nichts tue noch überhaupt von etwas Kenntnis nehme oder sich unterrichte, sondern daß vielmehr das Leben aller zu einem möglichst vereinten, unter sich verbundenen und gemeinsamen sich gestalte. (Gesetze 942ab) Ersetzt man das Wort "Vorgesetzter" durch "Rabbiner", haben wir ein perfektes Bild des klassischen Judaismus. Letzterer hat noch einen großen Einfluß auf die israelisch-jüdische Gesellschaft und bestimmt zum größten Teil die israelische Politik. Gerade die oben
zitierte Passage wählte Karl Popper in seinem Werk Die
Offene Gesellschaft und ihre Feinde zur Beschreibung der
Wesensmerkmale einer "geschlossenen Gesellschaft". Der
historische Judaismus und seine beiden Nachfolger, die
jüdische Orthodoxie und der Zionismus, sind beide
eingeschworene Feinde des Konzepts einer Offenen
Gesellschaft, soweit es auf Israel angewandt wird. Ein
Judenstaat kann nie eine Offene Gesellschaft sein,
gleichgültig, ob er sich auf der derzeitigen
jüdischen Ideologie oder, falls er dem Charakter nach
jüdischer wird, als er jetzt ist, auf den Prinzipien
der jüdischen Orthodoxie gründet. Die
israelisch-jüdische Gesellschaft hat zwei
Wahlmöglichkeiten: Sie kann ein vollständig
geschlossenes und kriegerisches Ghetto werden, ein
jüdisches Sparta, das von der Arbeitskraft arabischer
Heloten gestützt und durch seinen Einfluß auf das
politische Establishment der USA sowie durch Drohungen mit
seiner Atommacht am Leben gehalten wird, oder sie kann
versuchen, eine Offene Gesellschaft zu werden. Die zweite
Wahlmöglichkeit hängt ab von einer ehrlichen
Aufarbeitung der jüdischen Vergangenheit, von dem
Eingeständnis, daß jüdischer Chauvinismus
und jüdische Abgrenzung existieren sowie eine ehrliche
Überprüfung der Haltung des Judaismus
gegenüber Nichtjuden. |
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Israel Shahak:
(Online)
"Jüdische Religion, Jüdische Geschichte":
Inhaltsverzeichnis:
A/ 1- Israel - ein Utopia für Auserwählte?
- 2- Definition des Judenstaates
- 3- Die Ideologie vom "erlösten" Land
- 4- Israelischer Expansionismus
- 5- Ein geschlossenes Utopia?
B/ 6- Vorurteile und Verfälschungen
- 7- Befreiung von außen
- 8- Hindernisse für das Verstehen
- 9- Totalitäre Geschichte
- 10- Verteidigungsmechanismen
- 11- Die Täuschung geht weiter
C/ 12- Orthodoxie und Interpretation
- 13- Interpretation der Bibel
- 14- Aufbau des Talmud
- 15- Die Dispensationen cc1-
- 16- Verzinsung cc2-
- 17- Das Sabbat-Jahr cc3-
- 18- Melken am Sabbat cc4-
- 19- Vermischte Feldfrüchte cc5-
- 20- Gesäuerte Substanzen cc6-
- 21- Der Sabbat-Goj
- 22- Soziale Aspekte der Dispensationen
D/ 23- Die Bürde der Geschichte
- 24- Grundzüge des klassischen Judaismusda1-
- 25- England, Frankreich und Italien da2-
- 26- Moslemische Länder da3-
- 27- Das christliche Spanien da4-
- 28- Polen
- 29- Antijüdische Verfolgungen
- 30- Der moderne Antisemitismus
- 31- Die zionistische Reaktion
- 32- Konfrontation mit der Vergangenheit
E/ 33- Gesetze gegen Nichtjuden
- 34- Mord und Völkermord
- 35- Rettung von Leben
- 36- Entheiligung des Sabbats zur Lebensrettung
- 37- Sexuelle Straftaten
- 38- Status
- 39- Geld und Eigentum ef1-
- 40- Geschenke ef2-
- 41- Zinsforderungen ef3-
- 42- Verlorenes Eigentum ef4-
- 43- Täuschung im Geschäftsleben ef5-
- 44- Betrug ef6-
- 45- Diebstahl und Raub
- 46- Nichtjuden im Land Israel
- 47- Schmähungen
- 48- Die Einstellungen zu Christentum und Islam
F/ 49- Politische Konsequenzen
- 50- Jerusalem und die Juden
- 51- Rezension von Benjamin Beit-Hallahmi
- 52- Leserbriefe
- 53- Ein Exzeß an Demagogie
- 54- Ein spanisches Beispiel
- 55- Israelischer Terrorismus
- 56- Die Halacha unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Mord
- 57- Wer ist Demokrat im Nahen Osten?
- 58- Scharons Imperium
- 59- Mord gemäß der Halacha
- 60- Das Gleichnis gilt
- 61- Gebete auf verworrenen Wegen
- 62- Das iranische Modell
- 63- Maskerade von ausgestopften Bälgern als menschliche Wesen
- 64- Beste Absicht?
- 65- Ist es noch dieselbe Arbeiterpartei?
- 66- eres' Unterstützung der Siedler
- 67- Woraus besteht eine Öffentlichkeit?
- 68- Organspenden von Nichtjuden
- 69- Der Weg zu absoluter Korruption
- 70- Ein Fall einer unreinen Adresse
- 71- Der Rassismus von Arthur Ruppin
- 72- Sehnsucht nach Wiedererrichtung des Königreichs Davids und Salomos
- 73- Was will Gott wirklich?
- 74- Gehirnwäsche
- 75- Wer darf aus den "Staatsländereien" Nutzen ziehen?
- 76- Wie die religiösen Fanatiker in Ägypten
- 77- Ein Chomeini-Staat
- 78- Das Schweigen der israelischen Juden
- 79- Vier Hauptmerkmale des Apartheid-Regimes
- 80- Professor Gabison irrt
- 81- Ein grober Bruch der militärischen Disziplin
- 82- Es kann hier geschehen
- 83- Der richtige Name ist "Genozid" und nicht "Sho'a"
- 84- Der Verrat der [israelischen] Medien und Intellektuellen
- 85- Sabra und Schatila Nr. 2
- 86- Die [zionistische] Arbeiterbewegung ist nicht sozialdemokratisch
- 97- "Diese Missetat soll euch nicht vergeben werden, bis ihr sterbet"
- 88- Die Ideen der Chabad-Bewegung sind noch verwerflicher als diejenigen von Kahane
- 89- Die "Grundsatzerklärung" erkennt nicht die Rechte der Palästinenser an
- 90- Nichtmoderater physischer Druck
- 91- Nur zum Nutzen der Juden
- 92- Ein Fall von Vorurteilslosigkeit aus dem 11. Jahrhundert
- 93- Das jüdische Religionsgesetz ist inhuman achwort von Edward W. Said
- 94- Die
Vita von Israel Shahak